Der Versicherungsnehmer kann bei einem Totalschaden die Umsatzsteuer unabhängig von ihrem Anfall verlangen, wenn er sich ein Ersatzfahrzeug zu Kosten mindestens in Höhe des
Bruttowiederbeschaffungswerts des beschädigten Fahrzeugs beschafft.
Bei einem selbstverschuldeten Verkehrsunfall wurde der Pkw des Geschädigten erheblich in
Mitleidenschaft gezogen. Ein von ihm beauftragter Sachverständiger ermittelte den
Wiederbeschaffungswert mit 60.000 EUR brutto. Nach dem Unfall kaufte der Geschädigte von privat ein Ersatzfahrzeug für etwa 80.000 EUR. Seine Vollkaskoversicherung zog von dem ermittelten
Wiederbeschaffungswert die Mehrwertsteuer ab – mit der Begründung, dass er diese nur dann erstattet bekommt, wenn beim Kauf des Ersatzfahrzeugs die Mehrwertsteuer ausgewiesen wird. Das war im vorliegend nicht der Fall, da der Verkauf durch eine Privatperson erfolgte.
Das Oberlandesgericht Celle verurteilte die Versicherung dennoch zur Zahlung des in Abzug
gebrachten Mehrwertsteueranteils. Hat der Versicherungsnehmer bei einem Totalschaden für die
Ersatzbeschaffung des Fahrzeugs tatsächlich mindestens Kosten in Höhe des
Bruttowiederbeschaffungswerts aufgewendet, kann er deren Erstattung bis zur Höhe des
Bruttowiederbeschaffungswerts verlangen – und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob und
gegebenenfalls in welcher Höhe der aufgewendete Betrag Umsatzsteuern enthält. Hierbei war zu
berücksichtigen, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht auf den Gedanken kommen wird, dass ihm seine Kosten dann nicht vollständig erstattet werden, wenn er den Pkw von einem
Privatverkäufer erworben hat.
Hinweis: Im Kaskoschadensfall gilt, dass der Versicherungsnehmer den tatsächlich aufgewendeten Betrag bis zur Höhe des Bruttowiederbeschaffungswerts erhält – unabhängig davon, ob im Kaufpreis eine Regelumsatzsteuer, eine Differenzsteuer oder keine Umsatzsteuer enthalten ist. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird nicht auf den Gedanken kommen, dass ihm eine im Wiederbeschaffungswert enthaltene Umsatzsteuer nicht zu erstatten ist, wenn er das Nachfolgefahrzeug von einer Privatperson und nicht von einem Händler kauft.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 06.10.2016 – 8 U 111/16
Fundstelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de