Hier ein Beispiel, in dem das Gericht eine Haftung des Anwalts abgelehnt hat.
Im nachfolgenden Verfahren habe ich den Kollegen vertreten, der wegen angeblicher Anwaltspflichtverletzung in Anspruch genommen wurde.
Gegenstand des vorangegangenen Gerichtsverfahrens war ein Kauf-/Leasingvertrag über einen PKW. Der Wagen war mangelhaft. Der jetzt verklagte Anwalt machte für den Nutzer des PKW Ansprüche gegen den Autohändler aus Kaufvertrag geltend. Das Autohaus vertrat im Prozess die Auffassung, dass der Kaufvertrag gar nicht mit dem Kläger, sondern mit der Bank als Leasinggesellschaft zustande gekommen ist. Im Laufe des Verfahrens kaufte der Nutzer des Fahrzeugs das Fahrzeug der Leasinggesellschaft ab. Das Gericht wies die Klage ab, weil es am Ende des Verfahrens der Auffassung war, dass tatsächlich nur ein Kaufvertrag zwischen Leasinggesellschaft und Autohaus bestand und die Mängelrechte nicht auf den PKW Nutzer übergegangen sind (1.Verfahren LG Aurich 2 O 711/06).
Der damalige Mandant verklagt jetzt seinen damaligen Anwalt auf Schadensersatz mit dem Antrag, den Anwalt zu verpflichten, den damaligen Kaufpreis für den PKW Zug um Zug gegen Übergabe des PKW zu zahlen.
Das Landgericht Aurich hat die Klage des Mandanten gegen dessen alten Anwalt abgewiesen und folgendes hierzu ausgeführt (Urteil vom 1.9.2010 – 5 O 297/10, anonymisiert):
„Die Klage ist unbegründet.
Die auf § 280 BGB gestützten Schadensersatzansprüche greifen nicht durch, da eine anwaltliche Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit der Prozessführung in dem Verfahren Landgericht Aurich 2 O 711/06 nicht vorliegt.
Der Rechtsanwalt hat den Auftraggeber grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend zu belehren. Er muss außerdem durch Befragung seines Auftraggebers die für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Punkte klären und im Interesse seines Mandanten den sichersten Weg wählen. Der Rechtsanwalt hat grundsätzlich auch jeden Rechtsirrtum zu vertreten. (vgl. Palandt/Heinrichs, § 280, Rn. 68 m.w.N). Darüber hinaus muss der Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sorgfältig prüfen und den Mandanten über die Prozessrisiken umfassend informieren und er hat alle für einen Prozesserfolg notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Vorliegend lässt sich eine Außerachtlassung dieser Anwaltspflichten durch die Beklagten im Rahmen der Prozessführung in dem Verfahren des Klägers gegen das Autohaus…… nicht feststellen.
Zwar war die Frage, ob der Kläger berechtigt war, nach der Rücktrittserklärung auch Rückzahlung des Kaufpreises direkt an sich zu verlangen, von Anfang an Streitgegenstand und gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des mit der ……Leasingbank geschlossenen Leasingvertrages waren sowohl nach der Klausel… wie auch nach der Klausel…. die Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises ausdrücklich von der erfolgten Abtretung sonstigen Mängelgewährleistungsansprüche ausgeschlossen.
Zutreffend hatten die Beklagten jedoch im Rahmen ihrer Prozessvertretung für den Kläger die Auffassung vertreten, dass es auf der Grundlage der schriftlichen Bestellung vom ….. zu einem direkten Kaufvertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Autohändler …….. gekommen war. Der Leasingvertrag zur (Teil-)Finanzierung des Geschäfts wurde erst später mit der Leasingbank ……. abgeschlossen.
Diese Auffassung hatte auch das Landgericht in dem Verfahren 2 O 711/06 zunächst vertreten und diesen durch den schriftlichen Hinweis an die Parteien vom ……… deutlich gemacht.
Für die Beklagten (dieses Verfahrens) bestand nach diesem Hinweis keine Veranlassung zu weiterem Vortrag zu der angesprochenen Problematik. Dementsprechend hatte das Gericht auch lediglich der Beklagten (des damaligen Verfahrens) Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Hinweisen gegeben.
Spätestens aber nach Ausübung des sogenannten Andienungsrechts durch die Leasingbank……. und dem daraufhin erfolgten Ankauf des Fahrzeuges durch den Kläger (vgl. Schreiben der Leasingbank…. vom….) war jedoch die Frage der Aktivlegitimation des Klägers geklärt. Denn im Falle des Erwerbs des Kraftfahrzeuges durch den Leasingnehmer kann dieser die Zahlung des Kaufpreises aus dem Leasingvertrag aus abgetretenem Recht auch an sich verlangen. Dementsprechend hat auch das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Hinweisbeschluss vom….. im Rahmen des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen, dass der Kläger nach den Grundsätzen der Sachmangelhaftung gemäß §§ 346, 323, 440, 437 BGB zum Zeitpunkt der Verkündung des landgerichtlichen Urteils von der späteren Gemeinschuldnerin zu Recht einen Zahlungsanspruch Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangt hatte.
Demgegenüber hatte das Landgericht in seiner Entscheidung vom ….insbesondere den Aspekt, dass der Kläger bereits unter dem ….. das Fahrzeug von der Leasinggeberin erworben hatte, unberücksichtigt gelassen.
Der Klage hätte demnach – abgesehen von noch zu klärenden Fragen zur Höhe der Nutzungsentschädigung – stattgegeben werden müssen. Zumindest aber hätte dem Kläger nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom ……. mitgeteilten geänderten Rechtsauffassung des Gerichts noch Gelegenheit gegeben werden müssen, hierzu Stellung zu nehmen. Die erst nach dem Verhandlungstermin mit Schriftsatz vom….. von den Beklagten beigebrachten weiteren Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass der Kläger berechtigt war, aus abgetretenem Recht alle Ansprüche geltend zu machen, hätten damit auch nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen.
Die Beklagten waren auch nicht gehalten, aus Gründen der Fehlerverhütungspflicht des Anwalts nach dem gerichtlichen Hinweis vom…… und vor dem Termin vom ……… zur Frage der Aktivlegitimation noch weiter vorzutragen. Selbst wenn man den Beklagten vorwerfen würde, sie hätten nicht rechtzeitig auf die Problematik des Umfanges der im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Leasinggeberin abgetretenen Ansprüche abgestellt und hierzu weiter vorgetragen, würde es an einem inneren Zusammenhang zwischen der Fehlentscheidung des Gerichts und einem solchen Anwaltsfehler fehlen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Gerichts gemäß Urteil vom …….. gerade auf einem Versagen im Verantwortungsbereich der Beklagten (insbesondere Vortrag und Beibringung des entscheidungserheblichen Tatsachenmaterials) beruhte.
Gerichtliche Fehlentscheidungen aber, in denen sich das allgemeine Prozessrisiko verwirklicht, sind dem Anwalt haftungsrechtlich nicht zuzurechnen (vgl. Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3.Aufl., § 19, Rn60).
Es fehlt damit im Ergebnis schon an einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten.
Hinzu kommt, dass aufgrund der nach der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretenen Insolvenz des Autohauses……… der Kläger seine Forderung nicht hätte beitreiben können. Es fehlt damit auch an einem zurechenbaren Schaden.
Die Klage ist damit insgesamt abzuweisen.“
LG Aurich Urteil vom 1.9.2010 – 5 O 297/10c- noch nicht rechtskräftig bei Einstellen auf der Homepage