Im folgenden Artikel geht es um die Problematik der eigenen Wohnung für unter 25-jährige Leistungsbezieher von Hartz IV, die noch bei ihren Eltern wohnen und zukünftig eine eigene Wohnung für sich haben möchten.
Der Gesetzgeber läßt dies nur unter besonderen Voraussetzungen zu.
§ 22 (2a) SGB II lautet:
Sofern Personen, die das 25.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25.Lebensjahrs nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluß des Vertrages zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkrt erforderlich ist oder
3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden Personen, die das 25.Lenensjahr nocht nicht vollendet haben, nicht erbracht, wenn diese vor der Beantragung der Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Vorausstezungen für die Gewährung der Leistunegn erhebizuführen.
Das Sozialgericht Aurich hat in seinem Beschluss vom 17.07.2008 (S 25 AS 465/08 ER) einem unter 25-Jährigen eine eigene Wohnung außerhalb der elterlichen Wohnung zuerkannt, in der er zuvor lebte. Diese Entscheidung ist vom Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen mit Datum vom 06.08.2008 (L 13 AS 169/08 ER) bestätigt worden.
Das Sozialgericht Aurich hat sich der h.M. angeschlossen, dass sich die Zusicherung nach § 22 Abs 2a SGG nicht auf eine bestimmte Wohnung beziehen muss (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007 – L 5 AS 29/06 – und LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.3.2007 – L 13 AS 38/07 ER).
Thematisiert hat das Gericht den Begriff “Wohnung eines Elternteils” nach ” 22 Abs.2a Satz 2 Nr.1 SGB II. Vorliegend hat nur der Freund der Mutter das Mietverhältnis begründet. Hierzu hat das Gericht ausgeführt: “Dabei kann vorliegend offen gelassen werden, ob es sich bei der vom Ast. derzeit mit genutzten Wohnung überhaupt um eine “Wohnung eines Elternteils” im Sinne des § 22 Abs.2a Satz2 Nr.1 SGB II handelt (zur Problematik s. BVerwG, U.v.27.02.1992 – 5 C 68/88 – zit. nach juris). Hieran könnten Zweifel bestehen, als ein mietvertragliches Verhältniss für diese Wohnung allein vom Zeugen begründet wurde”. (Beschluss vom 17.07.2008 – S 25 AS 465/08 ER)
Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen des § 22 Abs.2a Satz2 Nr.1 SGB II ausführlich herausgearbeitet:
” Wie bereits dem Wortlaut des § 22 Abs.2a Satz 2Nr.1 SGB II entnommen werden kann, genügen nicht irgendwelche sozialen Gründe, sondern nur solche von erheblichem Gewicht („schwerwiegenden“) (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, B.v. 06.11.2007 – L7 AS 626/07 ER). Besonders schwerwiegende Gründe werden allerdings schon nach der Wortfassung der Vorschrift nicht verlangt. Aus der einschlägigen Begründung des federführenden Ausschusses folgt zudem, dass sich das Tatbestandserfordernis der „schwerwiegenden sozialen Gründe“ an § 64 Abs.1 Satz 2Nr.4 SGB III anlehnt (vgl. BT-Drucks. 16/688, S.14f.). Infolge dessen kann auf die hierzu ergangene sozialgerichtliche Rechtsprechung grundsätzlich zurückgegriffen werden (ebenso: Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Auflage, 2008, § 22 Rdn. 80 o, LSG Berlin-Brandenburg, U.V. 31.8.2007 – L 5 AS 29/06 – zit.nach juris, Rdn. #). Danach wurden soziale Gründevon besonderem Gewicht etwa angenommen bei einer tief greifenden Entfremdung zwischen den Eltern und dem Kind oder bei einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes durch die Eltern oder deren Umfeld, wobei Anhaltspunkte hierfür körperliche Züchtigungen oder familiäre Gewalt, fehlende Toleranz im Elternhaus oder unangemessene Überwachungsmaßnahmen sein können (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, U.v.28.05.2002 – L 2 AL 31/00 – zit. Nach juris Rdn. 35ff). Bloße Distanz oder familiäre Spannungen zwischen den Eltern und dem Kind rechtfertigen ebenso wenig die Annahme des Vorliegens „schwerwiegender sozialer Gründe“ wie (auch wiederholte) schlimme verbale Streitigkeiten, die über das in Familien heutzutage nicht selten anzutreffende, häufig altersbedingte übliche Maß hinausgehen oder der verständliche Wunsch von jungen Erwachsenen, sich dem elterlichen Einfluß zu entziehen und selbstständig sein zu wollen (vgl. SG Reutlingen, U.v. 18.12.2007 – S 2 AS 2399/07 – zit nach juris). Ein „schwerwiegender sozialer Grund“ kann auch aus räumlich beengten Wohnverhältnissen und einer damit für die Bewohner nur schwer herstellbaren Privatsphäre resultieren (vgl. Frank, in: Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II [GK-SGB II], Stand Mai 2008, § 22 Rdn.62; SG Berlin, B. v. 24.10.2006 – S 37 AS 8402/06, das insoweit allerdings von „sonstigen, ähnlich schwerwiegenden Gründen“ ausgeht). Schließlich kann der unter 25-jährigedann nicht auf die Wohnung eines Elternteils nach § 22 Abs.2a Satz 2 Nr.1 SGB II verwiesen werden, wenn der geschiedene Elternteil mit seinem neuen Lebensgefährten in dessen Wohnung lebt und der Lebensgefährte dem unter 25-jährigen berechtigt den Verbleib in seiner Wohnung verweigert (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 2.Auflage, 2007, § 22 Rdn.87 – „jedenfalls nach Nr.3“). Das Vorliegen „schwerwiegende soziale Gründe“ im Sinne des § 22 Abs.2a SGB II beurteilt sich allerdings nicht nur aus der Sicht des unter 25-jährigen, sondern auch aus der Sicht der Eltern oder eines Elternteils (vgl. BSG, U.v.2.6.2004 – B 7 AL 38/03 R – zit nach juris Rdn.20) und aus der Sicht von im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebender weiterer Personen (etwa Lebensgefährten). Auch sind etwaige verfassungsrechtliche Bedenken an der Verweisungsregelung des § 22 Abs.2a Satz 2 Nr.1 SGB II in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. BSG, U.v. 2.6.2004 – B 7 AL 38/03 R – zit nach juris Rdn.21f.) In jedem Fall Bedarf es einer Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles.“
Das SG Aurich hat dem unter 25-jährigen vorliegend einen Anspruch auf Zusicherung einer eigenen Wohnung gegen die Arge zugesprochen. Grund waren die zu beengten Wohnraumverhältnisse und die sich daraus ergebenden erheblichen Spannungen und Streitigkeiten zwischen den einzelnen Bewohnern der Wohnung.
Zu dem Argument der Arge, die Bedarfsgemeinschaft könne sich ja eine größere Wohnung suchen, hat das Gericht ausgeführt:
„Der Antragsgegner kann die aktuell im Bezug von SGB II-Leistungen stehende aus dem Antragsteller und den Zeugen bestehende Bedarfsgemeinschaft schließlich nicht auf die Anmietung einer größeren Wohnung verweisen. Hierfür bietet das SGB II keine Rechtsgrundlage“.
Und weiter:
„Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten sei bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die Zusicherung nach § 22 Abs.2a SGB II den Antragsteller nicht von seiner Verpflichtung entbindet, vor Abschluss eines Mietvertrages über eine neue Unterkunft eine Zusicherung nach § 22 Abs.2 SGB II der Antragsgegnerin einzuholen (in diese Richtung wohl auch LSG Niedersachsen –Bremen, B.v. 30.3.2007 – L 13 AS 38/07 ER – zit.- nach juris).“
(zit aus SG Aurich – Beschluss vom 15.Juli 2008 – S 25 AS 465/08 ER – bestätigt durch LSS Niedersachsen-Bremen L 13 AS 169/08 ER).
Ergebnis:
Für einen unter 25-jährigen bleibt es schwierig, Leistungen für Unterkunft und Heizung von der ARGE Arbeit und Soziales zu erhalten. Es muss hierfür ein schwerwiegender Grund im persönlichen Umfeld des unter 25-jährigen vorliegen. Soweit dies der Fall sein könnte, lohnt es sich auf jeden Fall dies durch das zuständige Sozialgericht überprüfen zu lassen. Sie sollten sich dabei von einem auf Sozialrecht spezialisierten Anwalt vertreten lassen.