Die AOK ist zur erneuten Krankenversicherung des Antragstellers verpflichtet, wenn der Antragsteller zuvor bei der Postbeamtenkrankenversicherung versichert war – SG Aurich vom 8.2.2011
Fall: Die Mandantin war über ihren Ehemann in der Postbeamtenkrankenkasse mitversichert. Nach der Scheidung endete das Versicherungsverhältnis. Sie ließ die Fristen zur freiwilligen Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses bei der Postbeamtenkrankenkasse verstreichen. Danach wollte sie sich wieder gesetzlich versichern lassen. Die gesetzlichen Krankenkassen lehnten sie ab mit der Begründung, sie sei ja privat krankenversichert gewesen. Sie hätten keine Verpflichtung, sie wieder gesetzlich zu versichern. Auch die Postbeamtenkrankenkasse lehnte eine Nachversicherung ab, weil sie hierzu nicht verpflichtet sei und die entsprechenden Fristen zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses abgelaufen seien. (Gesetzesauslegung, AOK, Postbeamtenkrankenkasse, Bundesbahnbeamtenkrankenkasse, Beamtenkrankenkasse, Pflicht zu Wieder-Versicherung, Neu-Versicherung in der Krankenversicherung).
Das Sozialgericht Aurich hat hierzu in einer Eilentscheidung vom 8.2.2011 (S 8 KR 188/10 ER) entschieden, dass die AOK als gesetzliche Krankenkasse verpflichtet ist, die Mandantin bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder zu versichern.
Entscheidung:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordung verpflichtet, der Antragstellerin ab dem… vorläufig bis zu einer rechtskräftiger Entscheidung der Hauptsache Leistungen entsprechend einem Mitgliedschaftsverhältnis der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Gründe der Gerichtsentscheidung des Sozialgerichts Aurich Entscheidung vom 8. 2.2011 – S 8 KR 188/10 ER:
II.
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Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Gründen begründet.
Nach § 86b Abs.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt voraus, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile (Anordnungsgrund) erleiden würde und deshalb eine Eilbedürftigkeit besteht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9.Aufl. 2008, §86 b Rn.27ff.).
Ein Anordnungsanspruch für den Zeitraum ab Antragstellung ist vorliegend gegeben. Der geltend gemachte Anspruch auf Versicherungsschutz ergibt sich aus § 5 Abs.1 Nr.13a SGB V. Danach sind Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Wobei die „anderweitige Absicherung“ in § 5 Abs.8 a SGB V konkretisiert ist auf Personen, die nach Absatz 1 Nr.1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilligen Mitglied oder nach § 10 versichert sind, die Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und siebten Kapitel des Zwölften Buches sind oder Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Für die Antragstellerin besteht derzeit keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall und sie war nicht zuletzt privat, sondern gesetzlich krankenversichert. Die Mitversicherung der Antragstellerin bei ihrem Ehegatten über die Postbeamtenkrankenkasse steht dem nicht entgegen.
Die Antragsgegnerin begründet ihre Ablehnung mit § 5 Abs.5 a SGB V. Hiernach ist unter anderem nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war. Dieser Ausschluss bezieht sich jedoch auf § 5 Abs.1 Nr.2a SGB V. Diese Norm ist hier nicht einschlägig, da die Antragstellerin die Leistungen nach dem SGB II nur darlehensweise erhält. Dem Grunde nach ergibt sich dieser Ausschluss allerdings auch aus § 5 Abs.1 Nr.13a SGB V. Diese Norm knüpft ausschließlich an die zuletzt vorliegende Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung an. Das heißt, wenn die letzte Versicherung der Antragstellerin eine private Krankenversicherung wäre, käme es nicht zur Versicherungspflicht über Nr. 13a. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin, ist die Postbeamtenkrankenkasse, bei der die Antragstellerin zuletzt versichert war, jedoch keine private Krankenversicherung. Zudem besteht für die Antragstellerin auch keine Möglichkeit mehr, eine Mitgliedschaft bei der Postbeamtenkrankenkasse zu begründen.
Die Postbeamtenkrankenkasse ist keine gesetzliche Krankenkasse im Sinne des SGB V. Nach § 4 Abs.2 SGB V sind dies die Allgemeinen Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Landwirtschaftlichen Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung, Knappschaft-Bahn-See als Träger der Krankenversicherung sowie die Ersatzkassen. Hieraus könnte der Schluss gezogen werden, alle anderen Kassen seien privater Natur. Der Gesetzgeber unterscheidet gesetzliche und private Krankenkassen. Von diesen beiden Arten grenzt er jedoch noch Sonderversorgungssysteme – wie die Postbeamtenkrankenkasse und die Bundesbeamtenkrankenkasse – ab. Andernfalls bedürfte es nicht des gesonderten Einbeziehens in Normen, die speziell für private Krankenversicherungen vorgesehen sind. Beispielhaft sei hierfür auf § 23 SGB XI bezüglich der Versicherungspflicht in einer Pflegeversicherung für Versicherte der privaten Krankenversicherungsunternehmen verwiesen. In dessen Absatz 4 Nr.2 SGB XI wird die Norm für die Postbeamtenkrankenkasse und in Nr.3 für die Krankenversorgung der Bundesbeamten für anwendbar erklärt. Auch die ausdrückliche Aufzählung diesen beiden Kassen in § 51 Abs.2 S.2 SGB XI wäre entbehrlich, wenn der Gesetzgeber sie als private Versicherungsunternehmen einstufen würde, denn diese werden bereits von Abs.1 erfasst. Auch im SGB V werden derartige Unterscheidungen getroffen. So findet sich in § 291 a SGB V der Satz „Die Regelungen diesen Absatzes gelten auch für die Postbeamtenkrankenkasse und die Krankenversicherung der Bundesbeamten“, obwohl sich der Beginn des Absatzes konkret auf private Krankenversicherungsunternehmen bezieht. Das Gesetz unterscheidet demnach bewusst zwischen gesetzlicher Krankenversicherung, privater Krankenversicherung und Sondersystem, wie die Post- und der Bundesbeamtenkrankenkasse.
Mit Blick auf das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ist zu erkennen, dass der Verweis auf eine vorherige Versicherung bei der Post- und der Bundesbeamtenkrankenkasse weder von § 5 Abs.1 Nr.13 i.V.m. Abs.8 a SGB V noch von § 5 Abs.5 a SGB V gewollt sein kann. So unterfallen private Krankenkasse nach § 1 Abs.1 Nr.1 VAG der Versicherungsaufsicht im Sine deses Gesetzes und unterliegen unter anderem dem Kontrahierungszwang, einem gewissen Personenkreis eine Versicherung im sogenannten Basistarif zu gewähren, nach § 12 VAG. Wohingegen die öffentlich-rechtlichen Krankenversorgungseinrichtungen des Bundeseisenbahnvermögens und die Postbeamtenkrankenkasse von der Aufsicht im Sinne des VAG gemäß § 1 Abs.3 Nr.4a VAG ausdrücklich ausgenommen sind und entsprechend auch nicht dem Kontrahierungszwang unterliegen. Wenn demnach die beiden Sondersysteme mit in den Ausschluss des § 5 Abs. 5a SGB V einbezogen würden und auch als Alternative zur gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs.1 Nr.13 a SGB V gelten würden, wäre eine Versicherung der bislang dort Versicherten nicht sichergestellt. Dies widerspräche Sinn und Zweck der Neuregelung der Versicherungspflicht, dass eine allgemeine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestehen soll.
Zudem sind sowohl die Post- als auch die Bundesbeamtenkrankenkasse weder ordentliche noch außerordentliche Mitglieder des Verbandes der privaten Krankenversicherungen e.V. (PKV), sondern nur „verbundene Einrichtungen“. Da sie keine private substitutive Krankenversicherung nach § 3 Abs.1 der Satzung der PKV betreiben, ist ihnen nicht möglich Mitglied zu sein. Sie können `als „Einrichtungen, die der privaten Krankenversicherung vergleichbare Leistungen erbringen, den in § 2 festgelegten Zweck des Verbandes fördern, im Geschäftsgebiets des Verbandes tätig sind, der Versicherungsaufsicht aber aufgrund innerstaatlichen Rechte nicht unterliegen ` nach § 3 Abs.5 nur eine Zusammenarbeit mit der PKV begründen.
Diese Einordnung der Postbeamtenkrankenkasse als Sonderversorgungssystem und nicht private Krankenkasse dürfte mit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.1.2011, Az. B 12 KR 11/09 R konform gehen. Laut Terminsbericht Nr. 69/10 (die Urteilsgründen lagen bei Beschlussfassung) noch nicht vor) handelt es sich bei einer Mitversicherung in der Krankenversicherung der Bundesbahnbeamtenkrankenkasse nicht um eine private Krankenkasse. Nach den vorstehenden Ausführungen und dem Gleichklang der Post- mit der Bahnbeamtenkrankenkasse in den gesetzlichen Regelungen, ist kein Grund ersichtlich, warum diese Einschätzung nicht auch für die Postbeamtenkrankenkasse gelten sollte.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, soweit sie die Feststellung des Versicherungsschutzes für die Zeit ab Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Es kann ihr nicht zugemutet werden, die Klärung ihres Versichertenstatus im Widerspruchs- und einem sich eventuell anschließenden Klageverfahrens abzuwarten und in der Zwischenzeit nicht krankenversichert zu sein. Mit der Neuordnung der Versicherungspflicht wollte der Gesetzgeber bis dahin bestehende Lücken im System des Krankenversicherungsschutzes schließen und einen Schutz im Krankheitsfall für die gesamte Bevölkerung in Deutschland gewährleisten. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass nach den obigen Ausführungen ein Erfolg in der Hauptsache wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein (vgl. LSG Niedersachsen, L 4 KN 4/98 KR ER).
Für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz besteht hingegen kein Anordnungsgrund, soweit er darauf gerichtet ist, auch vor der Antragstellung – rückwirkend – einen Versichertenstatus festzustellen. Grundsätzlich ist eine Entscheidung für die Zeit vor Eingang des Antrages im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, L 8 AS 57/05 ER). Im Übrigen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ich in der Vergangenheit Ausgaben entstanden sind, die eine unzumutbare Härte bedeuten würden.“